lügendetektor
16. Oktober 2010, 20:53
Ökostromförderung: Einseitige Zahlen
Es ist Jahr für Jahr dasselbe: Mitte Oktober legen
die Betreiber der Strom-Übertragungsnetze die sogenannte EEG-Umlage
fest – also den Betrag, mit dem Stromkunden im Folgejahr den Ausbau der
Erneuerbaren Energien fördern. Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
erhalten ja Wind-, Solar- oder Biogas-Anlagen [img='http://www.greenpeace-magazin.de/uploads/RTEmagicC_dd42e4f309.jpg.jpg',right][/img]von den Netzbetreibern feste Abnahmetarife für ihren Strom, die Kosten werden dann auf ([url='http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/45416/20049/']die meisten[/url]) Stromkunden umgelegt. Diese Woche war es wieder so weit, und so sahen die Schlagzeilen (
Financial Times Deutschland,
Süddeutsche Zeitung,
Hamburger Abendblatt,
n-tv) aus:
[img='http://www.greenpeace-magazin.de/uploads/RTEmagicC_3f8333819b.jpg.jpg',right][/img]
[img]http://www.greenpeace-magazin.de/uploads/RTEmagicC_fc5e67f5c0.jpg.jpg[/img]
Was war passiert? Die EEG-Umlage soll von aktuell
2,047 Cent pro Kilowattstunde auf 3,53 Cent im kommenden Jahr steigen.
Das ist tatsächlich ein Plus von rund 70 Prozent – [b]doch weil die
Umlage nur einen kleinen Teil des Strompreises ausmacht, steigt dieser
durch die höhere EEG-Umlage nur um ein paar Prozentpunkte[/b]. Naja, [b]unter "explodieren" oder "drastisch" verstehen wir eigentlich etwas anderes[/b].
Aber gut, der Strom wird 2011 teurer – für einen
durchschnittlichen Haushalt mit 4.000 kWh Verbrauch um etwa fünf Euro im
Monat bzw. 60 Euro im Jahr. Doch verglichen mit den allgemeinen
Preiserhöhungen der vergangenen Jahre, [url='http://bee-ev.de/3:634/Meldungen/Reine_Kostenbetrachtung_ist_keine_serioese_Bewertung_der_Erneuerbaren_Energien_jeder_Euro_ist_sinnvoll_angelegt.html']so der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE),[/url]ist das ziemlich moderat. Zudem unterschlägt der Blick ausschließlich auf die EEG-Umlage, dass im Gegenzug
Wind- und Sonnenkraft den Börsenpreis für Strom drücken. Experten nennen dies den
"Merit-Order-Effekt":
An der Börse nämlich wird der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk
bestimmt, das gerade noch zur Deckung der Gesamtnachfrage benötigt wird.
An windreichen Tagen oder im Sommer zur Mittagszeit, wenn Windräder
oder Solaranlagen viel Strom liefern, verdrängen sie auch viele teure
Kraftwerke.
Eon hat dazu schon vor Jahren Gutachten erstellen lassen, und
Vattenfall ärgerte sich vor ein paar Wochen öffentlich, dass Windkraft die Profite schmälert. Laut einer
Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München sorgten die Erneuerbaren Energien beispielsweise 2008 für
Preisdämpfungen von bis zu 5,4 Milliarden Euro. Der gemeine Stromkunde aber merkt davon wenig, weil die
Konzerne niedrigere Börsenpreise nur selten an private Endverbraucher weitergeben.
"Zu einer sachlichen Debatte gehört auch, den Nutzen der Erneuerbaren Energien transparent zu machen",
fordert Jörg Mayer,
Geschäftsführer der halbstaatlichen Agentur für Erneuerbare Energien.
Der EEG-Umlage stünden nämlich (siehe Grafik) viel größere Vorteile
gegenüber, etwa die rund 340.000 Jobs in der Ökostrom-Branche oder
vermiedene Umweltschäden etwa durch das Abschalten von Kohlekraftwerken.
Ohnehin würden Stromkunden sich die Augen reiben, wenn die gesamten
Kosten von Atom- und Kohlekraftwerken auf der Energierechnung auftauchten. Um rund vier Cent pro Kilowattstunde,
hat Greenpeace Energy ausrechnen lassen,
müssten die Tarife steigen, wenn alle offenen und verdeckten
Subventionen der konventionellen Energien auf den Strompreis umgelegt
würden.
Und außerdem, betont das
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in einer Studie, sei
die EEG-Umlage nur vorübergehend so hoch.
Der starke Anstieg in diesem Jahr lasse sich "im Wesentlichen auf
mehrere einmalige oder zumindest außergewöhnliche Effekte zurückführen",
etwa einen
Extra-Boom bei Solaranlagen,
den Schwarz-Gelb durch ein langes Hin und Her um die Kürzung der
Einspeisevergütung noch angeheizt hatte. Auf etwa drei Cent pro
Kilowattstunde, so das Institut, dürfte die Umlage künftig noch steigen –
dann aber zwischen 2016 und 2020 wieder zu sinken beginnen.
Aber erst mal, in den kommenden Wochen, werden die
Stromversorger die EEG-Umlage für saftige Preiserhöhungen nutzen – und
damit nebenbei versuchen, die Verbraucher gegen die Ökostrom-Förderung
aufzubringen. Vorsorglich
meldete sich bereits Matthias Kurth zu Wort, der Chef der Bundesnetzagentur: Die
Endkunden dürften "nicht in vollem Umfang mit der erhöhten EEG-Umlage belastet werden", forderte er – auch Kosten
senkungen,
etwa durch die geringeren Börsenpreise, müssten an die Verbraucher
weitergegeben werden. Mal sehen, wie viele Stromversorger dieser
Forderung nachkommen.
Quelle:
http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=5072&tx_ttnews